Am 1. Juli 2004 ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) als Nachfolger der bisherigen Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) in Kraft getreten. Neben strukturellen Neuerungen im Kostenrecht führt das RVG unter anderem auch zu einer teilweisen Erhöhung der Honorare für Rechtsanwälte. Anders als bei der letzten Gebührenerhöhung im Jahre 1994 sowie den vorherigen "Tariferhöhungen" sieht das Gesetz keine lineare Steigerung aller Gebührensätze vor. Das Bundesministerium der Justiz erklärt dazu, dass sich die neuen Gebühren an der allgemeinen Preissteigerung von 1,4 % pro Jahr seit der letzten Anpassung orientieren. Außerdem entfällt der so genannte Ostabschlag von 10 % für die in den neuen Bundesländern tätigen Rechtsanwälte.
In einigen Fällen führt das neue RVG sogar zu einer günstigeren Rechtsberatung, als sie unter Fortgeltung der BRAGO zu erwarten gewesen wäre. So ist insbesondere durch den Wegfall der Beweisgebühren in allen gerichtlichen Verfahren ein Sparpotenzial entstanden. Auch die einvernehmliche Scheidung ist gebührenrechtlich um mehr als 15 % günstiger geworden. Ebenso ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Bußgeldverfahren, soweit lediglich Bagatellordnungswidrigkeiten mit einem Bußgeld unter 40 Euro im Raume stehen, kostengünstiger geworden.
Neben den Veränderungen im Gebührenrecht der Rechtsanwälte wurde auch der Gerichtskostenbereich umstrukturiert. Kommen die Parteien im streitigen Verfahren zu einer gütlichen Einigung, wird diese in stärkerem Maße als bisher durch geringere Kosten honoriert. Ebenso tritt anstelle einer Gebührenparallelität nunmehr eine Einheitsgebühr je Verfahren, die vom Streitwert abhängig ist.
Neue Vergütungssätze erhalten auch Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer. Nach der Abschaffung des bisherigen Entschädigungsprinzips erfolgt deren Vergütung nunmehr verstärkt nach dem Leistungsprinzip sowie den Stundensätzen in der freien Wirtschaft. Durch vordefinierte Honorargruppen wird auch hier die Transparenz gefördert, sodass Streitigkeiten um die konkrete Höhe vermieden werden.
Wird ein Berufstätiger in das Ehrenamt eines Schöffen berufen, gelten für ihn nun ebenfalls höhere Entschädigungsgrenzen. Die Maximalbeträge der Verdienstausfallentschädigung wurden von bisher 16 / 31 / 41 Euro auf 20 / 39 / 51 Euro erhöht - im Durchschnitt eine Erhöhung um 25 %. Ebenso wurde die Fahrtkostenpauschale von ehemals 27 auf 30 Cent pro Kilometer angehoben - eine Erhöhung um 11 %. Zuletzt können auch geladene Zeugen auf eine erhöhte Nachteilsentschädigung hoffen. So wurden der Höchststundensatz für haushaltsführende Zeugen von 10 Euro auf 12 Euro angehoben, der von berufstätigen Zeugen von 13 Euro auf 17 Euro.
Inwieweit das gesetzliche Mindesthonorar einer Rechtsberatung oder aktiven Rechtsverfolgung durch die Einführung des RVG gegenüber den früheren BRAGO-Sätzen teuerer oder günstiger geworden ist, lässt sich abstrakt nicht beantworten. Unzutreffend ist allerdings die generalisierende Behauptung, dass nunmehr "alles teurer" geworden ist. Außerdem besteht auch unter dem RVG weiterhin die Möglichkeit, einen Individualtarif zu vereinbaren.